Über kleine Nebenstraßen fahren wir Richtung Jaroslav. Die große Zahl eher mehr als weniger restaurierter alter Kirchen und Klöster in Suzdal war schon umwerfend! Und jetzt sehen wir in klitzekleinen Dörfern auch noch sehr schöne Kirchen, um die sich die Leute wieder bemühen. Felder wechseln sich mit Wald ab. An der Straße begegnen wir einem Mann, der mit einem Stihl-Laubbläser den Dreck von der Fahrbahn auf den staubigen Seitenstreifen lässt… Unterwegs auf eine größeren Straße sehen wir einen völlig verdreckten Betontransportmischer. Er tut uns leid!

Jaroslavl an der Wolga hat eine große Menge von Kirchen mit Zwiebeltürmen und wunderschönen Häuser aus dem 17.-19. Jahrhundert, als die Händler der Stadt darin wetteiferten, Jaroslavl zu verschönern. Schon bei unserem ersten Besuch 2015 in dieser Stadt wollte ich die Kirche, die 15 Zwiebeltürme hat, besichtigen. Damals gelang es uns auch mithilfe von vielen Menschen der Stadt nicht, die Kirche aufzutreiben. Dieses Mal haben wir Glück. Bewaffnet mit Plan auf dem Tab und meinem Übersetzerprogramm kriege ich es mithilfe eines Busführers und des Reiseleiters aus dem Citytour-Bus raus, wo die Kirche liegt. Außerhalb des von Touristen überlaufenen Zentrums in einem öden Industrievorort neben einer Brücke über den Kotorosl, von der eine versteckte winzige Straße abgeht. Und die mündet noch in einen Sandweg. Die Kirche ist jedoch so groß, dass wir sie schon von weitem sehen können. Diese wunderschöne Ziegelkirche aus dem 17. Jahrhundert ist Weltkulturdenkmal. Sie hat neben den vielen Zwiebeltürmen in dem für uns verschlossenen Kircheninneren die größte Zahl von Freskobildern in der orthodoxen Kirche überhaupt. Die Darstellung der Bibel durch lokale Künstler!

Noch einmal über die breite Wolga. Auf der Straße nach Vologda sieht Alex wieder einen Lkw, der aus einem Joint Venture von Mercedes und Kamaz stammt. Und einen kleinen Lieferwagen mit originellen Plane-Verschlüssen. Bis ins siebte Jahrhundert war Vologda ein bedeutendes Zentrum für Industrie, Handel und Kunst. Mit der Entwicklung von Sankt Petersburg verlor Vologda an Bedeutung. Heute ist die Stadt gemütlich und hübsch. Mir fallen die vielen zweistöckigen Holzhäuser im Stadtbild auf.

Der Platz vor dem Kreml ist voller Menschen, die das schöne Licht genießen. Der Kreml wurde im 17. Jahrhundert erbaut als Begleitung der St. Sofia-Kathedrale, die Iwan der Schreckliche in nur zwei Jahren errichten ließ (1568-1570). Die goldene Spitze des Glockenturms der Kathedrale macht sich sehr hübsch neben den Zwiebeln der Wiederauferstehung-Kathedrale. An einem Auto-Café verkauft ein Mann „italienischen Kaffee“. Der Cappuccino ist köstlich! Wir spazieren noch ein bisschen an der Wolga entlang, die hier deutlich schmaler ist als in Jaroslavl. Es ist wirklich richtig schön hier!

Außerhalb der Stadt finden wir eine abgemähte Heuwiese mit Rundballen, wir stellen uns an die Seite. Alex denkt es könnte noch jemand vorbei fahren wollen, ich bezweifle das auf diesen schmalen Feldweg. Die Sonne scheint noch, Namkha ist begeistert und Alex behält recht.

Wir wollen nach Karelien, das eine wechselvolle Zugehörigkeit zu Finnland und Russland hat mit dem Ergebnis, dass es jetzt zu Russland gehört, aber ein Drittel der Menschen dort immer noch Finnen sind. Wir erwarten ein russisches Finnland. D.h. viele Seen! Südlich des großen fast runden Beloe-Sees suchen wir das Ferapontov-Kloste r, nach unserer Karteein Weltkulturerbe. Wir suchen richtig lange und entdecken es schließlich als Kirillov-Belozersky-Kloster! Wir biegen von der langen Straße durch den Wald in eine andere lange Straße durch den Wald ab, beide richtig gut – liegt wohl an den Touristen,die hier erwartet werden . Elche soll es hier auch geben!

Das Kloster ist ein ein großer Komplex mit 12 Kirchen, dreistöckigen Wehrmauern und die beeindruckende Vorhersehungskathedrale. Das Ganze startete 1397 mit einem Mönch aus Moskau, der eine Höhle bezog. Tolle Entwicklung! Mit mächtigen Unterstützern, darunter die Zarenfamilie Romanow und Iwan, dem Schreckliche lässt sich schon was bauen. Leider waren die ausführlichen Erklärungen zu den Kirchen, den interessanten Museen, der Geschichte ausschließlich auf Russisch. Immerhin konnten wir später verstehen, warum die Anlage zum Weltkulturerbe gerechnet wird. Für nicht-russische Touristen, die vielleicht mal irgendwann kommen sollen, nicht so prickelnd. Wir gehen durch das erste große Tor der Wehranlage. Es wird offensichtlich überall aufwendig restauriert.Hier müssen einmal eine ganze Menge Mönche gelebt haben. Durch ein weiteres großes Torhaus mit schöner Freskobemalung kommen wir in den Bereich der vielen Kirchen. In den drum herum liegenden Gebäuden sind Museen eingerichtet, die die Geschichte des Klosters, Kleidung, Waffen, Schlitten, Spitze, für die das Kloster berühmt war, vorzeigen. Wir gehen natürlich mal wieder Nebenwege und kommen zwischen Wehrmauer und Nebengebäuden zu einer Tür, aus der Chormusik dringt. Wir rein. Ein Raum mit Gewölbedecke und Ausstellung verschiedener Hausgegenstände und alter Schifferklaviere. Und vier Sänger, die alte russische Kirchenlieder üben. Die Stimmen, vom Tenor bis zum tiefsten Bass, sind so machtvoll, dass wir geglaubt hatten, einen ganzen Chor zu hören. Wir schauen fragend, werden eingeladen zu bleiben und dürfen zuhören. Als sie eine Pause machen, erklären sie uns, eine Gruppe zu erwarten. Sie üben weiter, wir sind begeistert. Die Gruppe erscheint, Italiener. Es wird schließlich doch noch ruhig. Der Chor singt wunderschön, wir bedanken uns sehr. Die große Kathedrale wird gerade renoviert. Was soll man machen… Das ausgestellte Sanctorium ist sehr schön.

Auf der Weiterfahrt, natürlich über eine andere Strecke, sehen wir eine Skyline von Kirchtürmen in der Landschaft. Namkha findet unterwegs einen wunderbar dicken Stock im Wasser. Wir wollen an den Beloe-See und haben unserem Navi auf der Karte das Ziel des Ortes Lipin Bor gesetzt. Ergebnis: wir landen in einem kleinen Ort vor einer Holzbrücke in der in der wieder schöne Kirchen zu sehen sind, die wir für uns aber dann doch als unerreichbar. Also weiter. Schließlich führt uns der Weg von der noch geteerten Straße auf eine großzügige, aber nichtsdestotrotz wellblechartige Piste, die zu dem angeblich großen Ort führt. 6 km Staub.

Lipin Bor ist ein größerer Ort! Er hat mehrere geteerte Straßen, mehrere Mehrfamilienhäuser aus Sowjetzeiten, einige Läden und am Ufer des Sees einen langen Anleger für große Schiffe. An dessen Ende sehen wir jedoch, dass hier die Kinder nur bis zur Taille im Wasser stehen. Die Zeit der großen Schiffe muss lange vorbei sein.

Wir fahren weiter durch Wald, Seen, Wald, Wald, Seen, Seen, und Birken, Birken, Birken. Mit Seen natürlich… Fast 200 km keine Tankstelle, Alex schüttet einen Kanister rein. An der ersten Tankstelle gehen 100 l Diesel in die Minna. Im Cafe gönnen wir uns Kaffee und Blinis. Back in civilization! Alex findet ein großes Angebot von Zündkerzen.Hier scheinen die Autofahrer dazu selbst noch Hand an ihre Fahrzeuge legen zu müssen. Bei uns werden die ja in den Werkstätten gewartet. Aber bei den vielen Autos, die die hier nur noch auf drei Zylindern laufen, ist das Angebot wohl sinnvoll.

 

Wir frühstücken in Vytegra am Kanal, der direkt in den Onega-See fließt. Vor uns liegt unser Traumschiff! Und wenn wir mit der Minna alles bereist haben und alt sind, kommen wir zurück, brennen bei diesem Schiff das Deck raus, stellen die Minna rein und fahren über viele Kanäle bis nach Südfrankreich! Der Mensch braucht Träume!

Und dann entdeckt Alex noch ein Schiff mit einem Palfinger-Kran.

Dann fahren wir los nach Petrozavodsk. Unser Navi empfiehlt uns zwar, rechts rum zu fahren (530km), das leuchtet uns jedoch nicht ein, da die Strecke links herum nur 130 km lang ist. Also links rum.

1 Stunde später ahnen wir, warum. Die Straße ist immer schlechter geworden, und hat sich dann in eine Schotterpiste verwandelt. Wir kommen durch viele Dörfer, die Hälfte der Häuser steht leer, wir sehen aber auch, dass neu gebaut wird. Steinhäuser kommen überhaupt nicht mehr vor.

Unterwegs sehen wir plötzlich eine Steinkirche, aus der schon kleine Birken aus dem Dach wachsen. Daneben jedoch wird eine Holzkirche mit mehreren Kuppeln neu gebaut. Wir sind fasziniert! Handwerkskunst vom Feinsten! Das Plakat dazu wird uns meine liebe Schwägerin Christiane hoffentlich später übersetzen können. Wir bekommen so eine Ahnung davon, was uns auf der Insel Kizhi erwartet, zu der wir von Petrozavodsk aus hinüber fahren wollen.

Weiter geht’s. Die Dorfplätze wirken etwas trostlos, wir sehen aber kleine Läden und die Dorfjugend hat Spaß beim Schwimmen. Die Holzhäuser sind oft bunt angestrichen – häufig in meine Lieblingsfarbe Türkis – immer mit großen Gemüsegärten. Hin und wieder treffen wir als Gartendeko einen Schwan, der äußerst geschickt aus einem Reifen geschnitten wurde. Auch eine Form der Entsorgungskunst!

Die Piste staubt und wir stauben zu. Nach 80 km Staub in drei Stunden kommen wir in den Ort Vornesenye, wo die Straße mit Hilfe einer Fähre über den Fluss Sivir führt. Wir müssen eine Weile warten. An der an der Ecke, zu der alle Autoinsassen der Schlange vor unsströmen, entdecken wir einen kleinen Laden, der alles anbietet – Waschmittel, Kuchen, Jagdmesser, Kleidung, Angelutensilien und jede Menge Alkohol. Wir holen uns unser Lieblingseis, eine Eishörnchenbecher, mit sehr gutem Vanilleeis, für 0,40 €. Alex fährt die Minna auf die Fähre, noch ein Holztransporter, einige PKWs und Fußgänger. Dann geht’s über den Fluss. Alex entdeckt, dass die vordere Rampe der Fähre schon seit längerem nicht mehr in Benutzung ist. Wie am Baikalsee damals. Als wir ankommen, dreht die Fähre rum und alle Fahrzeuge verlassen rückwärts das Schiff.

Etwas Asphalt am Ufer, dann wieder Piste, durchaus nicht so schlecht, da sie viel Schotter enthält, über die die guten gefederten PKWs natürlich nur so fliegen. Aber unsere armn Minna rappelt so schrecklich, dass wir Angst um jede Schraube haben. Die ungefederte Masse ist bei unserem kleinen Lkw einfach viel größer. Die Fahrer der wenigen LKWs, die uns begegnen, tun uns richtig leid.

Und dann sehen wir hinter einem kleinem Dorf am See wieder eine Holzkirche. Aus massiven Stämmen gebaut, wird sie ewig halten. Noch einige Dörfer, noch etwas Staub. Dann wieder eine Asphaltdecke!

Wir nähern uns Petrosavodsk und landen schließlich direkt an der Strandpromenade, von der die Tragflächenboote nach Kizhi Pogost abgehen.

Wir sind dann ziemlich enttäuscht, als wir erfahren, dass die Schifffahrtsgesellschaft keine Hunde mitnimmt.

Kizhi ist eine der über 1600 Inseln im Onega-See. Das Beeindruckende darauf ist die Verklärungskirche mit ihren 30 kleinen Türmen, alles aus Holz gebaut! Dazu noch ein Museumsareal mit Dutzenden Holzbauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die während der Sowjetzeit aus karelischen Dörfern hierher gebracht wurden. Sehr schade, dass wir nicht hinkommen..

Die Minna erregt bei einer Gruppe von wohl chinesischen Touristen Aufsehen, die unser chinesisches Autokennzeichen hinter der Frontscheibe entdeckt haben. Große Fragerei, dann ein Selfie mit uns.

Wir flanieren, essen Blinis, Alex wässert Namkha. Die ist aber mit dem Holzstück, was er ihr ins Wasser wirft, nicht zufrieden und versucht, einem kleinen Jungen, der einen Baumstamm als Floß benutzt, diesen zu klauen!

Die Sonne geht unter und wir gehen schlafen.