Heute geht es zur Grenze nach Russland.

Da die Reifenwerkstatt vor Kazbegi heute Morgen natürlich voll ist, wechselt Alex den Reifen selber. Dass geht bei ihm ruckzuck, hoch und runter hoch und runter, dann ist der Ersatzreifen dran un wir haben mal wieder wie in der Mongolei einen Reifen in den der Hütte liegen. Auf dem Weg zurück in den Ort sehen wir noch mal einen Wehrturm und einen schönen Berg mit Schnee, muss was Höheres sein. Wir füllen nochmal unsere Vorräte auf und finden eine schöne Frühstücksstelle mit Blick auf die Kirche Tsminda Sambeba, die auf einem 2200m hohen Berg über dem Ort emporragt. Als die Sowjets 1988 eine Seilbahn zu der Kirche hochbauten, haben die Einwohner von Kazbegi sie kurz danach zerstört, da sie der Meinung waren, sie entweihe diesen Ort. Im 18. Jahrhundert in der Zeit der Kriege wurden hier die Kirchenschätze aus aus Mtskheta aufbewahrt. Hinter der Kirche liegt ein schneebedeckter Berg, dessen Spitze durch die vorbeiziehenden Wolken immer mal wieder auftaucht. Etwa der erloschene Vulkan Kazbek mit seinen 5047m, an den nach der griechischen Sage Prometheus gekettet war??

Alex ist kurz etwas nachschauen, da erscheint plötzlich unser Freund Herbert vor der Minna! Welch eine Überraschung! Er und Birgit, alte Amerikafahrer aus Aachen, sitzen im Lokal gegenüber und haben erst die Minna gesehen und dann mich erkannt. Sie sind diesmal, ganz ungewohnt, nicht mit ihrem Auto, sondern mit einer Gruppe unterwegs. Wir freuen uns mächtig!

Schließlich fahren wir los, überqueren den Fluß Tergi, und fahren ein Stück an ihm entlang durch die dramatische Dariali-Schlucht an der Tamara-Kirche vorbei Richtung russische Grenze. Die Gebäude an der georgischen Grenze sind genauso bombastisch wie später an der russischen. Architektonischer Machtkrampf?

Die Zollabfertigung geht schnell, nach ein paar km beginnt eine lange Schlange vor der russischen Grenze. 1,5 Kilometer liegen vor uns bis zur Zollabfertigung, die über bestimmt acht verschiedene Spuren erfolgt. Und die kontrollieren relativ gründlich (die ultimative Kontrolle haben wir dankenswerter Weise bisher noch nie erlebt!). Von oben und unten, in die Minna rein, alle Schränke auf etc. Namkha wird gestreichelt, springt später auch raus, der Hundepass bleibt im Handschuhfach…. Inzwischen ist die Sonne untergegangen, Nebel ist aufgezogen. Ein höherer Rang der Grenzpolizei spricht etwas Englisch und ist sehr hilfsbereit. Als wir fertig sind, winkt er uns weiter und erklärt mir das ich nun eine Deklaration ausfüllen muss. Wie an der mongolischen russischen Grenze. Ich hasse es! Für die Minna und das Moppi, jeweils zweimal alle Angaben inklusive der technischen. Rüber zu einem anderen Schalter, zurück .Da ich nicht weiß, wo ich mich anstellen muss, frage ich jemand in roter Uniform. Der bringt mich zu einem kleinen Häuschen, vor dem sich eine große Horde LKW-Fahrer drängelt. Er klopft und gibt meine Unterlagen innen ab. Ich setze bequem auf einem Gitter, nach kurzer Zeit werden mir die Papiere rausgereicht… Beim Verlassen des Geländes wurde nicht nach dieser Zoll Einfuhrerklärung gefragt! Dann sind wir nach 4 Stunden durch.

Hinter der Grenze ein großer Parkplatz mit Cafés, Geschäften, Klos, Versicherungen, Banken und Telefonläden. Alles was das Herz begehrt, dazu noch ein Cafe-Auto mit dem vielversprechenden Namen Cafe italiano. Erst Geldumtausch und Kauf einer Telefonkarte. Die junge Frau im Telefonshop spricht perfekt Englisch und ist außerordentlich hilfsbereit. Und dann ein Latte macchiato. Dem Jungen im Auto muss ich erst mal erklären, was das ist…

Als wir weiterfahren, entdecken wir ein großes Schild „Toll collect“. Wir überlegen, fahren unter etwas durch, was wie eine deutsche Kontrollbrücke aussieht, und drehen wieder um. Hinter dem Toll Collect-Schild stehen viele kleine Buden mit bunten Schildern. Es regnet inzwischen wie Sau. Ich raus, reiße dabei den halben Griff an meiner Beifahrertür ab. In der Bude eine Gerte von schlanker Frau. Ich entdecke eine armenische Flagge, das Eis ist gebrochen! Sie heißt Gaia, stammt aus dem Ort Ararat nahe bei Khor Virap und bietet mir gleich ihre großen Obstteller an. Hat ihr Bruder gerade frisch aus Armenien mitgebracht. Die Kirschen sind köstlich.

Wir wollen noch etwas weiter fahren und kommen in den Ort Vladikavaz, wo wir uns heillos verfranzen, da unser Tab des GPS verloren hat und das Navi keine Russlandkarte hat. Schließlich bleiben wir in einem Vorort auf einem großen Parkplatz vor einem Gebäude mit viel Stacheldraht drumherum stehen. Ein großer Hund läuft herum, zwei ältere Männer kommen auf uns zu. Schlafen kein Problem. Alles gut.

Beim Frühstück können wir erleben, wie ein Müllwagen vor dem Tor steht, davor die aufgestellten Durchfahrsperren. Der Fahrer hupt etliche Male, nichts passiert. Wo Frühstückspause – beim Militär, Polizei, Knast oder was?? Dann geht das Tor auf, Müllwagen rein, Tor wieder zu, Durchfahrsperren bleiben unten. Später kommt noch ein anderer LKW…

Wir machen uns auf die Suche nach einem Reifenhändler in der Stadt. Ich treffe offensichtlich eine Veterinärapotheke!

Eine größere Stadt, viele moderne Bauten und mehrspurige Straßen, dazwischen auch mal ein Sowjet-Zeichen. Als ich an einer Tankstelle versuche, nach einem Reifenhändler zu fragen, holt die Tankwartin erst den Chef, dann wird ein älterer Mann mit etwas Englischkenntnis angeschafft, mit dem ich mich verständigen kann. Schließlich setzt sich der Chef ins Auto und fährt uns voraus zum Autohändler. Dann hält er, erklärt uns – rechts links rechts – den Weg und verabschiedet sich herzlich. Er hat einen Bekanntnen getroffen.

Wir finden die Werkstatt! Alex vermittelt in der Werkstatt, was wir brauchen, ein gut englischsprechender Mann aus einem Noble-SUV kommt dazu. Er übersetzt, sehr gut. Sie haben einen passenden Reifen! Der junge Mann aus der Werkstatt zieht ihn auf und hat dann große Schwierigkeiten, unseren Ersatzreifen wie, der unter dem Ende der Minna befestigt ist, wieder anzubringen. Um das zu schaffen, muß Alex mit runterkriechen und ihm zeigen, wie’s geht.

Der englischsprechender Mann an der Grenze hatte mir erklärt, dass man die direkte Strecke am kaspischen Meer entlang nach Astrachan anfahren kann. Wir machen uns auf dem Weg Richtung Grosny. Kurz hinter Vladikavaz kommen wir an der Stadt Belan vorbei, in der vor vielen Jahren tschetschenische Terroristen eine Schule besetzt hatten, bei deren Befreiung mehrere 100 Menschen, überwiegend Kinder, zu Tode kamen. Nach Nordossetien duchqueren wir Inguschetien. Die Landschaft ist flach, grün, wir sehen moderne Landwirtschaft. Neubauten, dazwischen ein besonders kitschiges Gebäude. Viele Sonnenblumen. Dazu ein kleiner japanischer Lkw mit draufgebautem Minibagger. Eine gute Geschäftsidee! Wie lange der kleine Lkw das mitmacht, bleibt abzuwarten. Die Technik wird hier sowieso dreimal stärker gefordert als bei uns und sie wird nicht gepflegt!. Wenn sie kaputt ist, lässt man sie stehen.

Eine erste Moschee taucht auf. Dann erreichen wir Grosny. Die Stadt war nach diesen beiden Befreiungskriegen in den neunziger und Anfang 2000 Jahren völlig zerstört. Wir erleben eine moderne, großzügig angelegte Stadt mit mehrspurigen Straßen. Auch hier mit einem riesigen Spielareal für Kinder, Verkaufsstände an den Straßen, Frauen mit Kopftuch. Wehrtürme scheinen in der Geschichte Tschetscheniens eine große Rolle zu spielen. Moderne Hochhäuser dazwischen eine offensichtlich neue, architektonisch sehr interessante Moschee. Hier achten wir nicht auf unser Tab und geraten beim umdrehen in kleine Nebenstraßen. Überwiegend neue Wohnhäuser, aus roten Ziegeln mit schönen Verzierungen gebaut. An einer Ecke sehe ich einen abgebrochenen Ziegel. Der ist hohl von innen! Dazu viel Polizei. An einer Kreuzung steht ein schussicheres Wohnmobil! Ein (alter) Russen-LKW mit Auflieger inkl. Tür und Fenstern, alles mit zusätzlichen Metallplatten verstärkt.

Wir wissen natürlich, das wir nur einen kleinen Teil von Grosny erlebt haben.

Die Landschaft ist endlos flach mit vielen Getreidefeldern. Hinter Khasavyurt geraten wir in einen Baustellenstau und erleben wieder diese unvergleichliche Mentalität des Überholens, Dazwischendrängelns, Noch-ne-Reihe-Aufmachens, alles nicht aggressiv. Wir haben die Abfahrt zur Roten Straße nach Astrachan verpasst und drehen um. Dann geht’s Richtung Norden, parallel zum kaspischen Meer, dass wir nicht sehen immerhin Dagestan, das bis kurz vor Astrachan reicht.

Wir halten an einem Lkw_Rastplatz, ziemlich runtergekommen. Das Café ist zu, die Werkstatt sehen ebenso aus. Ein älterer Mann, dessen Fahrrad schon auf ihn wartet, und ein zweiter aus der Werkstatt kommen auf uns zu. Schlafen kein Problem. Dusche? Jaaa! Wir werden ausgefragt, verständigen uns mit Händen und Füßen, unserer Karte. Es geht sehr gut! Und wir schlafen wie immer fantastisch.

Am nächsten Morgen zeige ich dem Alten mit dem Fahrrad – der schon wieder da ist? – Die Minna, er ist sehr angetan! Ich gebe ihm ein Viertel Melone, er verputzt sie sofort. Dann die Dusche! Hinter der Werkstatt ein aus Blechplatten zusammen geschweißter großzügige Verschlag, drinnen zwei Wassertonnen auf Querbalken mit zwei Duschbrausen. Haken an den Wänden, wunderbar kaltes Wasser. Über mir rauschen die Blätter einer großen Pappel, die Vöglein zwitschern – was will ich mehr!

Wir verabschieden uns her herzlich und freuen uns auf die rote, d.h. sehr gute Straße nach Astrachan.

Unterwegs hält Alex an einem LKW-Waschplatz, um den Luftfilter mal frei zu spritzen. Der Junge an der Hochdruckspritze gibt alles und scheint sich wirklich auskennen. Wir decken uns noch mit einer Melone ein.

Die Landschaft wird flach und kahl, stundenlang. Ganz entfernt fährt ein Zug. Wir sind schneller.

Irgendwann kommen wir in einen kleinen Ort, die Schranke ist geschlossen, die roten Warnlampen leuchten, ein regelmäßiges Tuten ist zu hören. Rechts von uns steht ein Zug, links, wo sich das eine Gleis in mehrere aufgeteilt hat, stehen ebenfalls vier Züge. Wir warten, und warten, und warten. Nichts passiert. Der rechte Zug setzt sich langsam in Bewegung und fährt auf die drei anderen zu, dann rechts an ihnen vorbei. Schranke hoch, Lampe aus, Tuten aus. Weiter geht’s.

Die vorher gute Straße endet plötzlich in einer tiefen Sandpiste! No go!

Wir drehen um und finden schließlich einen Abzweiger, dem wir eine Weile folgen. Straße wird Schotter, Schotter wird Sand, ein bisschen Schotter, mehr Sand. LKWs schaukeln uns entgegen, kleine PKWs fahren hin und her um die tiefsten Sandkuhlen.

Und weiter nichts um uns herum.

Die Wüste wird grün! Erste Bäume und Sträucher. Ein Dorf. Und dann die Wolga. Und Namkha will rein!

Es ist Abend. Wir fahren nach Astrachan hinein, ein Vorort? Wir kommen durch kleine Straßen und sehen eine große Autowaschgarage. Wir brauchen Wasser. Nix wie rein . Der junge Mann hilft uns sofort. Dann will er die Minna ab spritzen, ich nicke und renne dann los um die Fenster zu schließen, kriege ein Schauer ab. Aber aber er spritzt nicht über die Lüftungsschlitze von Kühlschrank und Schlafzimmer, aber dafür mächtig über Moppi und Fahrräder. Ich gebe ihm ein letztes Geld. Dafür schickt er seinen Kumpel mit, als ich ihm nach einem Bankomat frage. Wir kriegen Geld, machen eine große Schleife und finden schließlich auf einer Halbinsel eine kleine Mole am Wasser. Es ist dunkel.