Wir fahren nach Riga!

Die Stadt wird als das Paris des Nordens bezeichnet. Klingt nicht so lettisch. Sie wurde 1201 von einem deutschen Bischof gegründet und zu einem Stützpunkt des Schwertbrüderordens. Sie trieb tüchtig Handel mit Russland und den Westen. Dann holten sich die Schweden 1601 die Stadt, kein Nachteil, sie wurde damals größer Stockholm. Schließlich kamen die Russen und jetzt ging es richtig los. 1860 war Riga der größte Holzhafen der Welt und die drittgrößte Stadt Russlands. Im 20. Jahrhundert entstandenen Cafés, Clubs und eine Intellektuellenkultur. Im Ersten Weltkrieg wurde alles plattgemacht, im Zweiten kamen die Nazis. Riga hat alles überlebt.

Sie liegt 15 km von der Ostsee entfernt am Ufer des Flusses Daugava, sie hat eine wunderschöne Altstadt, Alleen und Parks, eine der größten Ansammlung von Jugendstilhäusern, von lettischen Architekten im eigenen Stil erbaut, dazu gibt es einen speziellen lettischen Baustil. Zwischendurch wieder Häuser der vorletzten Jahrhundertwende. Im Randbereich dafür sowjetische Pracht und die wohlbekannten Wohnblocks der sowjetischen Besatzungszeit. Echt abwechslungsreich.

Wir machen eine altenfreundliche Stadtrundfahrt mit Hund in einem einstöckigen plüschigen Bus, dessen hinterer Teil, wo wir sitzen, offen ist. Unter anderem sehen wir den Zentralmarkt, der schon seit 1330 existieren soll, schließlich aber hier in fünf riesige Zeppelinhangars verlegt wurde, die die Stadt woanders aufgekauft hatte. Hier brummt der Handel! Auch hier haben die Sowjets so einen schrecklichen Kulturturm hinterlassen, wie wir ihn schon aus Warschau kennen. So viele schöne Jugendstilhäuser!

Die Altstadt erleben wir zu Fuß, kaffeefreundlich und bei strahlender Sonne. Die hohe Petrikirche mit ihrem 123 m hohen Turm soll eine sehr schöne Aussicht bieten. Glauben wir. Von dort geht es durch kleine Gassen, auch mal mit mittelalterlichem Einschlag, zum berühmten Schwarzhäupterhaus mit den schönen Stufengiebeln. Es wurde 1344 von der Schwarzhäuptergilde für unverheiratete Kaufleute errichtet. Die Partys damals waren legendär. Einmal sollen die Junggesellen Heiligabend eine riesige Kiefer reingeholt,mit Blumen geschmückt und das ganze anschließend im Kamin verbrannt. Bis aufs Verbrennen gilt das als Beginn der weltweiten Tannenbaumkultur. Naja. Auf dem Platz davor sehen wir ein altes Feuerwehrauto mit Gerippe, zum Partybus umfunktioniert. Passt doch!

Der Domplatz steht fast voll mit Terrassen der umliegenden Lokale. Schöne Atmosphäre! Der Dom ist riesig und gilt als der größte im ganzen Baltikum. Weitere kleine Gassen, wir entdecken eine Bäckerei und landen mit Kaffee, leckerem Brot und entzückendem Kuchen auf der Terrasse. Am Sonnenschirmstock ist ein Rauchen-verboten-Schild auf gepinselt. Die Letten sind wirklich militante Rauchgegner! Noch ein kleiner Platz, ich finde ein Honiggeschäft. Und den modernen Baustellenzugang mit Türcode.

Dann schau ich mir noch die beeindruckenden Jugendstilhäuser verschiedener finnischer Architekten in der Albertastraße an.

Übrigens, Lettland ist das Land der Sänger. Nirgendwo wird so viel zu jeder Gelegenheit gesungen wie hier. Zur Sommerwende am 23. Juni springt auch das Jungvolk übers Feuer und singt Volkslieder. Irgendwo soll es hier einen unbedeutenden Ort geben, der eines der größten Sängerfestivals der Welt auf die Beine stellt.

Diese Stadt kann schon bezaubern!